Spezialist Dr. Martin Dostál, Innsbruck
BANDSCHEIBENVORFALL
Der Bandscheibenvorfall (Diskushernie) ist eine der häufigsten neurochirurgischen Erkrankungen. Durch Degeneration und Überbelastung kann eine Wanderung vom weichen Bandscheibengewebe nach hinten in den Spinalkanal oder auf die Seite verursacht werden. Je nachdem, wo sich der Bandscheibenvorfall befindet, kann dadurch eine Quetschung von Rückenmark, Nervenwurzel oder Spinalnerv ausgelöst werden.
LWS-BANDSCHEIBENVORFALL IM BEREICH DER LENDENWIRBELSÄULE (LUMBAL)
Bei einem LWS-Bandscheibenvorfall kommt es relativ plötzlich zu Rückenschmerzen, die möglicherweise später in die Beine ausstrahlen. Die Schmerzen werden durch Austritt von Bandscheibengewebe in den Spinalkanal oder das Nervenaustrittsloch (Neuroforamen) verursacht. Deshalb sind sie mit Taubheit oder Kribbeln (z. B. große Zehe, Fußaußenrand) und manchmal auch mit einer Schwäche von bestimmten Muskelgruppen (z. B. Fußhebung, Fußsenkung) verbunden. Eine Notfallsituation entsteht bei einem sehr großen Bandscheibenvorfall (Massenvorfall). Dabei wird der gesamte Wirbelkanal eingeengt und es kommt zu Blasen- und Mastdarmstörungen und Potenzstörung bei Männern (Cauda Equina Syndrom).Konservative Behandlung: Infiltration
Bestehen beim betroffenen Patienten keine Ausfallserscheinungen, ist ebenfalls hier eine konservative (nicht operative) Behandlung möglich. Sogar relativ große Bandscheibenvorfälle können sich komplett zurückbilden. Eine sehr effektive Methode ist die sogenannte PRT (Periradiculäre Therapie–Nervenwurzelinfiltration).Operative Behandlung
Bestehen die Beschwerden jedoch sehr lange oder sind Ausfallserscheinungen vorhanden, ist die operative Behandlung eine komplikationsarme und sehr effektive Behandlungsmethode. Bei den minimalinvasiven mikroskopischen Bandscheibenoperationen werden die für die Stabilität der Wirbelsäule wichtigsten Strukturen maximal geschont (die Muskulatur) und minimal bzw. überhaupt nicht entfernt (Wirbelgelenke). Die früher durchgeführte Bandscheibenausräumung (Mikrodiskektomie/Nukleotomie) wird heutzutage allerdings nur selten durchgeführt. Häufiger wird nur das „Problemstück“ der Bandscheibe entfernt (Sequestrektomie). Dadurch wurde die Erholung und der Erfolg dieser Operationen im Vergleich zu früheren Jahren deutlich verbessert. Die Patienten sind übrigens direkt nach der Operation frei von Beinschmerzen und nach sechs Wochen auch voll belastbar.Rezidivvorfall
Es kommt jedoch trotz maximaler Sorgfalt des Operateurs und maximaler Vorsicht der Patienten in ca. 5 bis 10 Prozent der Fälle zum Rezidivbandscheibenvorfall. Dieser kann sich nach einigen Wochen (Frührezidiv) oder sogar Jahren (Spätrezidiv) entwickeln. Bei einem Rezidivvorfall ist eine konservative Behandlung deutlich weniger effektiv als zuvor beim ersten Bandscheibenvorfall. Eine minimalinvasive mikroskopische Bandscheibenoperation kann auch in diesen Fällen, genauso gut wie beim ersten Bandscheibenvorfall, helfen.Osteochondrose
Es gibt jedoch Patienten, die sogar einen zweiten Rezidivvorfall zusammen mit Osteochondrose (Abnutzung der Bandscheibe mit Veränderungen an benachbarten Knochenstrukturen) entwickeln. Dabei bessern sich die Beinschmerzen nur kurzfristig oder gar nicht. Es entwickeln sich starke Rückenschmerzen. Hier ist es notwendig, die Nervenwurzel maximal zu entlasten (komplette Entfernung des Wirbelgelenkes und der Bandscheibe), ebenso das Bewegungssegment mittels Käfig und Schrauben zu versteifen (TLIF–transoraminal lumbar interbody fusion). Im Falle einer gescheiterten Bandscheibenoperation wird sehr häufig die sogenannte minimal invasive surgery Technik (MIS TLIF) durchgeführt. Dabei geht es vor allem um Schonung der Rückenmuskulatur, die für die weitere Zukunft des Patienten entscheidend ist.HWS-BANDSCHEIBENVORFALL – IM BEREICH DER HALSWIRBELSÄULE (ZERVIKAL)
Bei einem HWS-Bandscheibenvorfall beginnen die Beschwerden als plötzliche Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in die Oberarme, Unterarme, bis in die Finger. Im betroffenen Schmerzareal verspürt der Patient deswegen häufig Kribbeln oder Taubheit. Es sind jedoch, im Gegensatz zu lumbalen Bandscheibenvorfällen, auch Zeichen einer Schädigung des Rückenmarks möglich. Diese reichen von Gangunsicherheit (relativ häufig) bis zur Querschnittlähmung (extrem selten).Konservative Behandlung
Ähnlich wie bei den LWS-Bandscheibenvorfällen ist die erste Behandlung konservativ, mit Schmerztherapie und Krankengymnastik. Diese konservative Behandlung darf jedoch erst nach ausführlicher radiologischer Abklärung (Kernspintomographie – MRT) und klinisch-neurologischer Untersuchung angewendet werden.Operative Behandlung
Ist der Bandscheibenvorfall zu groß oder verursacht er Lähmungen, kann die Krankengymnastik aufgrund der Nähe des Rückenmarks, gefährlich sein. In diesen Fällen steht die operative Behandlung an der ersten Stelle. Dauern die Beschwerden nur kurze Zeit (ca. 6 Wochen), handelt es sich möglicherweise um einen weichen Prolaps. Hat dieser keinen oder minimalen Kontakt zum Rückenmark, kann dann von hinten eine zervikale Foraminotomie und Sequestrektomie durchgeführt werden. Bei dieser Operation wird nur das „Problemstück“ der Bandscheibe (Sequester) entfernt. Die gesamte Bandscheibe und somit die normale Beweglichkeit des Segments bleibt erhalten. Im Vergleich zu den LWS-Bandscheibenvorfällen kommen die Rezidivvorfälle bei diesen Eingriffen deutlich seltener vor.ACDF - anterior cervical discectomy and fusion oder Bandscheibenprothese
Hat der Bandscheibenvorfall einen Kontakt zum Rückenmark, muss der Eingriff von der Vorderseite des Halses durchgeführt werden, um das Rückenmark nicht zu beschädigen. Dabei wird die ganze Bandscheibe entfernt und das Bewegungssegment versteift (ACDF - anterior cervical discectomy and fusion). Eine andere Möglichkeit nach Entfernung der Bandscheibe bietet die HWS-Bandscheibenprothese, welche die Beweglichkeit des Segments erhalten soll. Sie ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet. Es kommt manchmal nach Jahren zu einer unerwünschten Versteifung der Prothese. Zusammengefasst sind aber die Eingriffe bei den Bandscheibenvorfällen an der Halswirbelsäule sehr effektiv und komplikationsarm.BWS-BANDSCHEIBENVORFALL – IM BEREICH DER BRUSTWIRBELSÄULE (THORAKAL)
Diese Art von Wirbelsäulenerkrankung ist im Vergleich zu den LWS- oder HWS- Bandscheibenvorfällen eine Rarität. Meistens handelt es sich um ältere, verkalkte Bandscheibenvorwölbungen. Selten um einen frischen Sequester. Sie können Schmerzen auf einer oder beiden Brustkorbhälften verursachen. Ein viel ernsteres Problem ist jedoch die Einengung des Rückenmarks, welche am Anfang zu einer Funktionsstörung (z. B. Gangunsicherheit) und bis zu einer Querschnittlähmung führen kann. Die Eingriffe werden über einen großen Zugang (sogenannte Kostotransversektomie, Laminektomie) durchgeführt, um das Rückenmark zu umgehen und zu schonen. Diese Eingriffe sind sehr anspruchsvoll und werden daher meistens mit Überwachung der Rückenmarkfunktion (Neuromonitoring) durchgeführt.Dr. Martin Dostál, Bandscheiben Spezialist in Innsbruck, Tirol